Die Indie-Szene schafft es immer wieder einen zu überraschen. Wer rundenbasierte Combat-Strategie für tot gehalten hat liegt falsch – das Beste: Den Entwicklern von Mode 7 Games gelingt der Stunt. In Frozen Synapse agieren wir in einer Cyberpunk-artigen Zukunft, in der die bösen Großunternehmen die Macht erlangt haben. In einer hochstilisierten halb organischen, halb digitalen „Matrix“ bekämpfen wir die Bösewichte, und selten läuft alles wie geplant.
Aus der Vogelperspektive lenken wir unser Squad durch die 55 Level des Singleplayers. Dabei planen wir Gehwege, Körperhaltung, Zielrichtung und das Verhalten bei Feindkontakt für jeden einzelnen unserer bewaffneten Klone. Unser Berater – die Leertaste – gibt sich in diesem Spiel als unser bester Freund, sie sagt uns immer was wir hören wollen. Am Anfang einer Runde kann man dem eigenen Klon-Kanonenfutter Befehle geben. Der Clue: wir können auch unseren Gegnern Befehle geben, und mit einem Druck der Leertaste eine Simulation laufen lassen, die zeigt, wie das Szenario nach unseren Vorstellungen ablaufen wird. Das kann man dann immer und immer wieder tun bis man eine befriedigende Lösung gefunden hat, bei der man überlegen denkt, dass man alle Möglich- und Unmöglichkeiten einkalkuliert hat.
Beim Druck des Prime-Buttons gibt es kein Zurück mehr. Die Daten werden an den Server geschickt, und unser Plan muss gegen den echten KI-Plan ankommen. Es entscheidet sich ob die kleinlich ausgelegte Taktik funktioniert oder spektakulär in Stücke geschossen wird. Ob ihr es glaubt oder nicht: Noch nie hatte ich so viel Respekt vor einem Button. Die Missionen reichen von Eskort-Aufträgen, „Halte Territorium XY!, „Töte die Bösen Jungs“, „Bleib‘ am Leben“ bishin zu „Besorg‘ den Schlüssel und bring ihn heil zurück“. Kein Level gleicht dem anderen, wer Aufträge wiederholen will oder muss, findet sich in einem veränderten Level mit anderen Spawn-Positionen wieder, wodurch der Wiederspielwert erheblich steigt und die Frustration nicht zu groß ist ein verlorenes Level neu anzugehen. Achja, man wird definitiv scheitern. Frozen Synapse ist in Sachen Schwierigkeitsgrad nicht zimperlich, kleine Fehler können katastrophale Auswirkungen haben!
Waffen, die dem Spieler zur Verfügung stehen sind auf ein simples Arsenal beschränkt, jedoch entfaltet dieses im Laufe des Spiels eine erstaunliche Tiefe nach dem Motto „Easy to learn, hard to Master“. In den Meisten Missionen wird man eine Hand voll Klone mit Sturmgewehren und Schrotflinten zwischen die Finger bekommen. Diese werden meist von größeren Kalibern wie einem Sniper oder einem Raketenschützen unterstützt. Dass dies nicht langweilig wird, verdankt Frozen Synapse seiner Tiefe, die jeden Konflikt glaubhaft und detailgenau berechnet. Beispielsweise ist ein Schrotgewehr-Schütze das perfekte Mittel einen verschanzten Gegner aus nächster Nähe aus der Deckung zu holen. Ist jedoch der einzige Weg zum verschanzten Gegner durch ein Kreuzfeuer von Sturmgewehrschützen, wird diese Fähigkeit reichlich unnütz. Nun muss man als Spieler kreativ werden. Eine Möglichkeit ist, die Gegner mit Sniperfeuer in ihrer Deckung zu halten, die andere, mit einer Gezielten Rakete ein Loch in die schützenden Mauern des Gegners zu Sprengen und mit dem dem Schrotgewehr-Klon durch den frisch entstandenen Eingang zu stürmen.
Das mag kompliziert klingen, geht aber dank des intuitiven Interface selbst Taktiklaien schnell von der Hand und gibt einem schnell das Gefühl alles im Griff zu haben. Selbst komplexe Befehle wie „Geh für 1 Sekunde hinter die Deckung, steh auf und geh weiter, ignorier‘ mögliche Feinde, warte am Türrahmen, zieh‘ deine Waffe und ziele auf Eingang X“ gehen mit wenigen Klicks in die Primephase. Der Soundtrack klingt etwas wie Paul van Dyke mit Dubstep-Elemementen, was die Artdirection und das Gameplay hervorragend untermalt. Alles it sehr steril gehalten und erinnert an den ersten Tron-Film. Es erschreckt schon fast dass die stilisierten Klonkämpfer bei ihrem ableben Blutlachen hinterlassen, und sich nicht etwa in Datenmüll auflösen.
Wer schonmal Rundenstrategie im Multiplayer gespielt hat, kennt das Problem: Die Gegner brauchen immer gefühlte Stunden bis sie fertig sind, meckern aber nach kurzer Zeit wenn man mal etwas länger braucht, um den benachbarten Bananenstaat mit ICBM’s wegzunuken. Da Zeitlimits einem die ganze Zeit im Nacken sitzen und eher konträr zum ganzem Konzept der Rundenstrategie stehen, hält Frozen Synapse folgende Lösung parat: Man nimmt einfach an beliebig vielen Spielen gleichzeitig teil. So kann ein Spiel innerhalb von Minuten ablaufen, oder auch Wochen dauern. Man kann Spielstände sogar per Email hin- und herschicken. Es stehen 10 verschiedene Modi zur Auswahl, darunter Wettspiele, Geiselbefreiungen, Deathmatch etc.
Frozen Synapse lässt nichts anbrennen – umfangreich, gute Bedienung, hervorragender Soundtrack und ein ausbalancierter Multiplayer. Es ist ein Nischenprodukt, und wird weißgott nicht jedem gefallen. Frozen Synapse hat eines dieser Tutorials, in denen man durchaus das ein oder andere mal sterben wird. Wer sich aber mit dem Gedanken an ein rundenbasiertes Combat-Strategiespiel anfreunden kann und bereit ist die Einstiegshürde zu nehmen, wird mit Frozen Synapse viel Spaß haben.